"TV isn’t dying, it’s having babies" – Christian Nienaber im Interview über das jüngste Sender-Baby RTL II YOU
James Corden, die Kardashians, die Top-Instagrammer, -Snapper und -YouTuber – 24/7, live und auf Abruf, online, mobil oder in der Smart-TV-App: Seit Ende Mai ist der neue Online-TV-Sender RTL II YOU am Start und schlägt mit über 100.000 App-Downloads in gut zwei Wochen erfolgreich ein. Läuft bei der jungen Zielgruppe der 14- bis 25-Jährigen. Und offenbar auch bei RTL II, verrät uns Christian Nienaber, Bereichsleiter Digital des Grünwalder Senders im Interview.
„TV isn’t dying, it’s having babies“, haben Sie im Interview (mit dwdl) gesagt, Herr Nienaber. Glückwunsch zum Nachwuchs. Wie passt das neue Baby RTL II YOU in das Gesamtangebot von RTL II?
Christian Nienaber: (lacht) „Das Zitat stammt meines Wissens ursprünglich von Thinkbox aus UK, passt aber sehr gut. Wir sind mit RTL II die Nummer drei in der klassischen TV-Zielgruppe der 14- bis 29-Jährigen. Angesichts des sich immer stärker fragmentierenden Marktes und ständig wachsenden Angebotes haben wir uns gefragt: In welche Richtung können wir unser Angebot erweitern, um wettbewerbsfähig zu bleiben und weiter zu wachsen? RTL YOU ergänzt RTL II optimal. Es soll genau die jungen Zuschauer abholen, die Super RTL gerade entwachsen und mittlerweile eher auf Webangebote ausweichen.“
Wie würden Sie den Unterschied zwischen RTL II YOU und dem Jugendangebot der Öffentlich-Rechtlichen beschreiben?
Christian Nienaber: „Das ist schwer zu sagen, da das Jugendangebot der Kollegen erst ab Oktober verfügbar sein wird.
Zwei große Unterschiede kann ich allerdings schon jetzt ausmachen. Zum einen fokussieren wir uns auf unsere eigene Plattform mit unseren eigenen Angeboten. Die Öffentlich-Rechtlichen stützen sich meines Wissens nach eher auf die globalen Plattformen, auf denen die Jugendlichen bereits aktiv sind. Das ist natürlich nachvollziehbar, allerdings macht es das auch schwerer. Versuche wie „WDR #3sechzich“ haben gezeigt, dass es nicht leicht ist, sich in der breiten Masse von Inhalten durchzusetzen und bestehen zu können.
Der zweite große Unterschied ist, dass wir ein lineares Angebot aufgebaut haben. Das wirkt zwar zunächst verwirrend und oft hört man: „TV – macht ja keiner mehr.“ Aber bei genauer Betrachtung sieht man, dass immer mehr Angebote wieder auf lineare Strukturen setzen. YouNow, Twitch oder Vice, die angekündigt haben, mehrere TV-Kanäle launchen zu wollen. Wir bieten direkt vom Start von RTL II YOU eine gute Kombination: Wir haben einen linearen Stream, in dem ich jeder Zeit direkt vor- und zurückspringen kann. Ich kann darüber hinaus meine Favoriten abspeichern, nach Belieben on demand schauen und gleichzeitig chatten oder mich austauschen. Ich habe also mit RTL II YOU alles in einem, was vor allem den jungen Leuten Spaß macht.“
Mit RTL II YOU wollen sie 14- bis 25-Jährige erreichen. Die Inhalte sind jung, frisch und „onlinig“. Wie sieht das Promotionkonzept rund um RTL II YOU aus?
Christian Nienaber: „Viele User haben gesagt, dass RTL II YOU der unbekannteste Sender war, der je gelauncht worden ist. Wir sind hier ganz bewusst einen neuen Weg gegangen und haben mit den Marketingmaßnahmen erst am Launch-Tag begonnen. Das hielten viele, ich eingeschlossen, für ungewöhnlich. Unser Ziel war: Erst dann werben, wenn der User das Angebot direkt ausprobieren kann. Die Leute sehen also Werbung für RTL II YOU, klicken drauf und können das Angebot sofort nutzen. Dementsprechend nutzen wir auch die sozialen Netzwerke stark für die Vermarktung. Die User werden direkt über Facebook, Instagram oder YouTube über das neue Produkt informiert.
Die beste Form der Promotion läuft gemeinsam mit unseren Influencern wie Roxi. Sie wohnt in unserer WG „MJUNIK – Home of YOU“, postet ein Video auf ihrem YouTube-Kanal und sagt darin „Hey Leute, das hier ist meine neue Sendung auf RTL II YOU, klickt Euch doch rein“. Das ist echt und authentisch. Natürlich ergänzen wir mit klassischen TV-Spots, Plakaten, Online- und Social-Media-Maßnahmen. Wir fokussieren uns vor allem geografisch auf die Zielgruppe – beispielsweise mit Plakaten oder geotargeted Social Ads in der Nähe von Schulen und Universitäten. So motivieren wir die Zuschauer zum Download der App.“
Werden Inhalte analog zu BTN und Köln auch in den Social Networks verlängert? Oder wird das den Influencern überlassen?
Christian Nienaber: „Wir arbeiten bewusst mit Influencern zusammen, die bisher noch nicht ganz so groß sind und ein Eigeninteresse daran haben, gemeinsam und partnerschaftlich mit uns zu wachsen. Ob sie die sozialen Netzwerke bespielen, bleibt letztlich ihnen überlassen. Es wäre ohnehin schwierig, 18-Jährige vertraglich auf etwas festzunageln. Das wollen wir auch gar nicht.“
Besonders Snapchat ist als Kanal momentan sehr heiß. Welche Rolle spielt das im Marketingmix?
Christian Nienaber: „Unsere Influencer nutzen Snapchat natürlich bereits. Wir freuen uns, wenn sie die RTL II YOU-Inhalte anteasern oder bewerben. Das kann ganz einfach so aussehen: Die Bewohnerinnen aus der WG „MJUNIK – Home of YOU“ sind beim Shoppen und snappen „Hey, wollt Ihr sehen, ob ich mir die Tasche gekauft habe? Dann schaltet doch um 21.15 Uhr bei RTL II YOU ein.“
Sie sagen, RTL II YOU gibt den Influencern die Chance, „sich zu verbessern“. Wie genau sieht das bei Ihnen aus?
Christian Nienaber: „Als ein Kernformat senden wir YOUNIVERSITY. Dort haben wir erfahrene YouTuber als festen Cast. Phil von Bullshit TV ist z.B. ausgebildeter Mediengestalter in Bild und Ton, er weiß also auch handwerklich, was zu tun ist. Unerfahrenere Influencer lernen so, wie man besser schneidet oder die Beleuchtung optimiert. Zudem bekommen die Jugendlichen durch RTL II YOU die Chance, eigene Sendungen zu produzieren. Wir unterstützen sie dabei inhaltlich und mit Sachzuwendungen.
In den genannten Formaten haben die Macher bei der Gestaltung freie Hand. Das ist mitunter ganz schön herausfordernd. Wir haben zum Beispiel eine Live-Sendung, die eine Protagonistin von zu Hause aus streamt und somit begrenzt Einfluss auf das hat, was sie live sendet. Hier gehört entsprechend Mut und Vertrauen dazu.“
Bisher verdienen Influencer Ihr Geld oft mit Product-Placement. Wie sieht das auf RTL II YOU aus? Wird es hier neue Arten von Werbekooperationen für Marken geben?
Christian Nienaber: „Wir sind hier natürlich mit unseren Influencern im Austausch. Unser Ziel ist eine partnerschaftliche Lösung für derartige Integrationen. Medienrechtlich kennen wir die Regulatorik. Schlussendlich wollen wir aber auch in diese Richtung wachsen, so dass unsere Vermarktungstochter EL CARTEL MEDIA auch Vermarktungspartner für die Influencer wird und ihnen Placements vermittelt.“
Ich habe gelesen, dass RTL II YOU zwar mit linearen Werbebreaks arbeitet, allerdings ganz innovativ dynamisch und individuell angepasste Werbeanzeigen ausspielt. Arbeiten Sie hier mit bereits bestehender Technologie oder ist dies eigens entwickelt?
Christian Nienaber: „Wir unterbrechen etwas häufiger als im klassischen TV, dafür aber kürzer, da RTL II YOU ja nicht wie „normales“ TV genutzt wird. Die Blöcke optimal auszusteuern ist nicht ganz trivial, denn wir senden zum Beispiel die „Late Late Show“ aus den USA direkt im Anschluss an die Ausstrahlung in den USA. Da bleibt uns kaum Vorlauf, unsere Werbebreaks anzupassen. Wir wissen natürlich, dass das amerikanische Werbemodell für die deutschen Zuschauer eher ungewohnt ist. Aber da die Jugendlichen viel mit dem Handy unterwegs sind, werden siebenminütige Werbeblocks nicht akzeptiert. Deswegen sind hier häufigere, aber kürzere Werbeblocks sinnvoller. Wir haben zwar noch Optimierungsbedarf, aber es wird definitiv nicht mehr Werbung geben als im klassischen TV.
Nichtsdestotrotz ist Werbung Teil des Gesamtkonzepts. Während bei RTL II eine Werbeunterbrechung bei allen Zuschauern gleichzeitig mit den gleichen Werbespots ausgespielt wird, liefern wir bei RTL II YOU individualisierte Werbespots aus. Start- und Endzeitpunkt des Werbeblocks ist bei allen Usern gleich, die einzelnen Werbespots werden jedoch individuell zusammengestellt. Wir spielen so in einem linearen Stream Werbung Frame-genau und dynamisch zu. Wir arbeiten dazu eng mit der CBC zusammen, unserem technischen Dienstleister, der auch unseren Broadcast betreut, und werden natürlich konsequent an der Weiterentwicklung und Optimierung arbeiten.“
Neben neuen Technologien im Bereich Werbung spielen auch andere Content-getriebene Technologien wie z.B. 360°-Videos eine Rolle?
Christian Nienaber: „Noch nicht, das ist aber durchaus denkbar. Für uns steht momentan das Thema „Live-Engagement“ im Fokus. Gerade bei 360° oder Virtual Reality muss man sich im Vorfeld über die Ausrichtung im Klaren sein. Für wen produziere ich? Welche Geschichte erzähle ich damit? Am Ende muss ich gerade mit diesen Technologien eine neue Art von Storytelling betreiben. Ich brauche keine 360°-Videos produzieren, wenn ich am Ende keine Story habe. Bei einer 360°-Serie stelle ich mir schon fast ein Game vor, weil der User sich wie im echten Leben zwischen verschiedenen Handlungssträngen entscheiden und bewegen muss.
Meine Theorie ist, dass solche Neuerungen drei Phasen durchlaufen. Sie kommen auf und werden zunächst total gehypt, dann hört man eine Weile relativ wenig von der neuen Technologie und schließlich kommt das Thema im Idealfall schleichend als wirklich solides Modell zurück und etabliert sich. Dann gibt es aber auch Themen, die aufkommen und wieder verdampfen. Bei 360° befinden wir uns gerade kurz hinter der Spitze des Hypes, und jetzt wird es erstmal wieder ruhiger werden.“
RTL II YOU ist auf verschiedenen Touchpoints abrufbar. Was für eine Rolle spielt der Second Screen? Also Hintergrund-Inhalte zusätzlich/ergänzend zum linearen Programm?
Christian Nienaber: „Wir gehen auch hier einen eigenen und völlig neuen Weg. Ein Beispiel: Wir haben den YouTuber Jarow mit über einer Million Abonnenten, der jeden Sonntag gemeinsam mit Kurono live „X-Factor: Das Unfassbare“ im Chat kommentieren wird und mit seiner Community über die Mystery-Fälle diskutiert. So wird der Chat ganz anders angefeuert.“
Inwiefern soll bei der Programmierung von RTL II YOU ein Zuschauerflow zwischen Online und TV stattfinden?
Christian Nienaber: „Bei X-Factor ist das natürlich gewünscht. Aber es ist schwer nachzuvollziehen, denn das Problem ist, dass wir den Zuschauerflow über die klassischen Panels nicht messen können. Unser Ziel mit RTL II YOU ist natürlich, dass die Zuschauer RTL II auch für sich wiederentdecken und einschalten.“
Wie lange gibt RTL II dem Online-Kanal die Möglichkeit zu wachsen? Ab wann wird entschieden, ob er sich rentiert?
Christian Nienaber: „Der Launch allein hat sich ja schon gelohnt, pressetechnisch ist es super gelaufen. RTL II YOU ist jetzt einfach unser zweites Sendeangebot. Wir sind gestartet, um zu bleiben – mehr als 100.000 App-Downloads nach der kurzen Zeit zeigen, dass wir richtig liegen.“
Wenn YOU ein durchschlagender Erfolg wird, denken Sie dann ähnliche digitale Angebote auch für weitere Zielgruppen an?
Christian Nienaber: „Natürlich ist alles möglich. Wenn RTL II YOU ein voller Erfolg wird, werden wir jedoch zunächst das Angebot selbst weiter ausbauen.“
Wir drücken weiterhin die Daumen und klicken regelmäßig in die YOUNIVERSITY. Denn auch Ponies* lernen nie aus. 🙂
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