Multiscreen Marketing: Warum die deutsche Marketingbranche den Trend verschläft
Dieser Beitrag ist auch auf fourscreens.org erschienen. FourScreens ist der Melting Pot verschiedenster Webworker, Online-Filmschaffender und Experten der Digitalbranche aus der ganzen Welt.
Eigentlich wollte ich an dieser Stelle über die Top 5 deutschen Multiscreen-Kampagnen schreiben. Eigentlich. Ich versuchte, mich an gelungene Kampagnen zu erinnern… erfolglos. Selbst bei meiner Recherche nach tollen deutschen Beispielen für kreative, innovative und natürlich vor allem multi-screen Marketingkampagnen wurde ich leider nicht wirklich fündig.
Full Disclosure: Ich bin so digital native, wie es nur geht. Ich lebe und liebe online. Es braucht also schon ein bisschen was, um mich zu beeindrucken. Was ich mir von deutschen Marketers wünsche ist ein bisschen mehr “Harry Potter” und “Doctor Who”, und weniger Social Media Kindergarten. Social Media Kindergarten ist es, eine Social Media Kampagne ohne mobil optimierte Webseite zu fahren (was ständig passiert). Oder eine TV Kampagne zu fahren, ohne die Inhalte für Smartphone, Tablet oder PC Konsum sinnvoll anzupassen. Oder während eines Events furchtbar eindimensional keine weiteren Kommunikations- oder Feedbackkanäle via Social Media einzuplanen.
Was mich wirklich umhaut sind Marken, die ich über jedes meiner digitalen Einfallstore (Smartphone, Tablet, PC und Konsole) erreichen kann. Und die mein Leben passend zum Gerät, das ich gerade nutze, mit ihren Inhalten bereichern. Die verstanden haben, dass nicht ein und dasselbe Video für TV, YouTube, Facebook, Instagram und Vine passt.
Transmedia Storytelling
So kommen wir zu den Schlagworten Storytelling und Content Marketing, die schon eine Weile durch die Fachmedien schwirren. Im Kern sind sie das, was gute Kommunikation schon seit Anbeginn von Kommunikation ausmacht. Um Multiscreen-Kommunikation erfolgreich umsetzen zu können, muss man “Transmedia Storytelling” beherrschen. Es ist die Kunst, eine einzige Geschichte über mehrere digitale Plattformen und Formate hinweg zu erzählen. Was man braucht, um erfolgreiches Transmedia Storytelling (aka Multiscreen-Storytelling-Content-Marketing) zu machen: Eine verdammt gute Geschichte und Verständnis für die Bedürfnisse der einzelnen Plattformen.
Natürlich gibt es Marken, die inzwischen im TV Spot einen Hashtag zeigen oder zumindest parallel die Kampagne auf Twitter weiterführen (siehe Mercedes Benz #bereitwienie). Oder Kampagnen, bei denen man durch QR Codes in Print die zugehörige Webseite öffnen oder eine App runterladen kann. Für Deutschland vielleicht spannend, für mich ist das alles aber unglaublich langweilig und viel zu kurz gedacht. Denn das ist nicht multiscreen. Das ist ein bisschen Social Media in den Mix gesprenkelt, weil es gerade trendy ist.
Die Community hat es mit “Tatort” und der sonntäglichen Tatort Twitter Kritik vorgemacht. “The Voice of Germany” setzt den Second und Third Screen (via Smartphone oder via PC) inzwischen bewusst als weitere Inhaltsebene ein. Für Fans, die während der TV Werbepausen auf die Webseite gehen, gibt es zusätzliche Videos, live gestreamte Interviews und allerhand Hintergrundinformationen. Außerdem können die Fans sich im Chat live zur Show unterhalten. Manchmal schließen sie den Kreis, wenn auch Tweets im TV eingeblendet eingeblendet werden.
Deutsche Marketers denken zu kurz
Ende 2014 sehe ich keine einzige non-entertainment Marke, die ein wirklich erfolgreiches Multiscreen-Konzept umgesetzt hat. Mir geht es hier nicht nur um Facebook Communities, die auf allen Bildschirmen passend angezeigt werden. Es geht mir um Marken, die ihre Kampagnen inhaltlich multidimensional und nicht nur oberflächlich multichannel denken.
Warum ist das so? Meiner Meinung nach stehen hier die altbekannten Barrieren im Weg. Nämlich die Quartalsbrille und die Silo-Denke. Erfolgreiches Multiscreen-Marketing bedarf einer längerfristigen Planung, eines höheren Invests und idealerweise einer bereichsübergreifenden Zusammenarbeit. Außerdem bedarf es eines wirklichen Verständnisses für die Bedürfnisse der Kunden in genau den Situationen, in denen sie über ihre verschiedenen Gerätschaften hinweg mit der Marke interagieren. Das fehlt oft.
Ein weiterer Punkt: Multiscreen funktioniert besonders gut mit audiovisuellen Inhalten. Und obwohl wir fast das Jahr 2015 schreiben, scheinen viele Marken Video noch nicht richtig im Griff zu haben.
Multiscreen braucht Inhalte
Als Marketer ist es ohne Frage schwierig, die Chefetage von einem bereichsübergreifenden, langfristig gedachten Storytelling-Ansatz zu überzeugen. Aber Kommunikation funktioniert nicht ohne Inhalte. Und Multiscreen erst recht nicht, wenn man nicht in die Tiefe gehen kann. Um in die Tiefe gehen zu können, braucht es spannende und breite Geschichten. Man kann sich das wie einen Baum vorstellen. Der Baumstamm ist die zentrale Storyline, die Äste sind die dazu passenden weiteren Story-Stränge und die Blätter die verschiedenen digitalen Touchpoints, über die Kunden die Geschichten und somit auch die Marke erfahren können.
Ich wünsche mir, dass wir 2015 Marken sehen, die so genau wissen, wer sie sind, dass sie sich trauen, sich selbst zur Geschichte zu machen. Dass sie ihre Kunden und Fans mit einbinden. Dass sie über Geschäftsquartale und Produktlaunches hinweg denken. Dass sie die gesamte Digitalklaviatur so nutzen, dass es sinnvoll ist – und nicht nur trendy.
Dass sie etwas beginnen, für das es sich dranzubleiben lohnt.
Picture credit: Gratisography, http://www.gratisography.com/
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